Motorräder
ohne Kat:
Das Problem stinkt zum Himmel
Die Luft ist dick. Geschwängert mit Ruß, Benzol,
Kohlenmonoxyd, Kohlendioxyd,
Stickoxyden und Ozon. Jetzt, wenn die Temperaturen wieder
klettern, trüben wenig
erfreuliche Nachrichten die Sommerlaune: Ozonalarm, das
heißt Atem-
wegsreizungen und drohendes Fahrverbot. Die Mobilität hat
ihren Preis.
Doch für wen eigentlich ? Euro-Normen für Schadstoffausstoß
und Steuervorteile für Autos mit
geregeltem Katalysator haben die "Stinker"
weitgehend von den Straßen getrieben.
"G-Kat-Pkw sind clean", sagt Hermann Blümel vom
Umweltsenat des Landes Berlin, "bei den
Lkw wurde die Entwicklung verschlafen." Und die
Motorräder ?
Mal ehrlich: Hat der Traum vom Easyrider nicht auch ein
wenig damit zu tun, daß wir uns um
einige Straßenverkehrsordnungen ungestraft herumschummeln
können ? Parken zwischen
Blumenkübeln oder das Vorbeimogeln an der Stauschlange
gehören gewiß zu den Privilegien,
über die sich niemand aufregen muß. Beim Thema
Schadstoffausstoß wird's allerdings heikel.
Denn Motorrräder sind extreme Dreckschleudern.
Die Luft für Kat-Gegner ("Ach, die paar
Motorräder!") wird langsam dünn. Das liegt nicht nur an
den explodierenden Zulassungszahlen in den Ietzten Jahren.
Durch die Ver- ringerung des
Schadstoffausstoßes bei Autos werden Motorräder plötzlich zu
einer Emittentengruppe, die ins
Gewicht fällt. Beispiel Berlin:
1,1 Millionen Pkw sind in der Bundeshauptstadt zugelassen,
davon 850.000 mit G-Kat. "An
einem warmen Sommertag produzieren die registrierten 60.000
Motorräder mehr Ozon als alle
850.000 Pkw zusammen", rechnet Umweltexperte Blümel
vor. Bei einer Distanz von bis zu vier
Kilometern übertrifft der Schadstoffausstoß eines Motorrads
den eines Pkw mit G-Kat um den
Faktor 10, bei längeren Distanzen sogar noch um ein Viel-
faches mehr.
Doch die Branche reagiert gelassen. Die marktführenden
japanischen Hersteller haben gerade
mal ein, im besten Fall zwei Modelle mit zeitgemäßer
Abgasreinigung im Programm - für den
deutschen Markt wohlgemerkt, denn in Ländern wie Italien und
Spanien fragt niemand nach
einem Motorrad mit Kat. Mit einem G-Kat ausgerüstet sind die
GTS 1000 von Yamaha und
die VFR von Honda. Kawasaki setzt mit der Kawasaki ZX-9R ein
Sekundärluftsystem mit
ungeregeltem Kat dagegen, eine Kombination aus zwei
Abgasreinigungssystemen, die - so die
Zeitschrift "Motorrad" in einem Vergleichstest
(Heft 7/98) - "in ihrer Effizienz fast an einen
geregelten Kat heran- reicht" und billiger ist. Suzuki
bläst den Dreck weiterhin aus allen Rohren
ungebremst in die Luft. Selbst das 1998er Modell der Suzuki GSX-R
750, deren
Einspritzanlage optimale technische Voraussetzungen für
einen Kat biete, ist mit keinem
Abgas- reinigungssystem ausgerüstet, schimpft
"Motorrad" (7/98) und bezichtigt den Hersteller
der Ignoranz.
Da es für Motorräder keine verbindlichen Gesetzesvorlagen zu
Abgaswerten gibt, besteht für
die Branche auch kein Handlungsbedarf in Sachen
umweltverträglicherer Motor-figuration. Auch
von seiten der Kundschaft fehlt der Druck. Die Nachfrage
nach Motor- rädern mit Kat ist gering,
bestätigen die Händler.
Ein Problem ist, daß es für Ozonsmog keine EU-Richtlinien
gibt. Das ist Sache der Länder,
die der Problematik allerdings ziemlich hilflos
gegenüberstehen. Ein Fahrverbot aufgrund hoher
Ozonwerte wurde bisher noch in keinem Bundesland
ausgesprochen. Und daß in Stuttgart seit
über einem Jahr schon diskutiert wird, ob
Verbrennungsmotoren ohne Kat aus dem Talkessel
verbannt werden sollen, schreckt keinen der Betroffenen
wirklich. Sollten diese Planspielchen
irgendwann einmal realisiert werden, bliebe nämlich äußerst
fraglich, ob Motorradfahrer von
dem Fahrverbot in der City tatsächlich betroffen wären. Das
größte ökologische Zugeständnis,
zu dem sich Honda derzeit - immerhin - durchringen kann: Bis
zum Jahr 2002 plant die Firma
die Produktion seiner Zweitakter einzustellen und nur noch
Viertaktmotoren zu produzieren.
Allein BMW startete 1990 eine Umweltoffensive, im Zuge derer
die Firma ihre Zweiräder über
vier Jahre zuerst wahlweise mit einem Katalysator für 850
Mark Aufpreis ausrüstete. Seit 1995
liefert BMW sämtliche Modelle (mit Ausnahme des Einzylinders
F 650 - ungeregelter Kat) für
Deutschland, Japan und die USA serienmäßig mit G-Kat. 1997
ging als bestes Verkaufsjahr
in die Firmengeschichte ein.
Längst wurde mit den Vorurteilen aufgeräumt, ein Katalysator
bringe beträchtliche
Leistungseinbußen mit sich und habe außerdem eine kürzere
Lebensdauer als das Fahrzeug.
Auch das Argument der Motorradindustrie, die Kat-Technik sei
zu kostspielig und deshalb nur
bei teuren Motorrädern vertretbar, ist falsch. Zwischen 200
und 500 Mark kostet den Hersteller
ein kompletter Katalysator. Spezielle Auspuffanlagen und
andere Sonderausstattungen, mit
denen Motorradfreaks ihre Bikes oft aufmotzen, bewegen sich
in weit höheren
Preisklassen.Die für 1999 als verbindlich angekündigte
Euro-1-Norm für Motorräder wird bei den
Herstellern kaum Zähneklappern auslösen, erfüllen die
meisten Modelle doch heute schon die
Euro-2-Norm - ohne geregelten Katalysator. Doch: "Alles
andere als ein G-Kat ist reine
Augenwischerei", sagt Blümel.
Pessimistisch äußert sich auch Rolf Hönig vom
Verkehrsministerium in Stuttgart: "Die
Euro-1-Norm ist eine Lappalie. Wir befinden uns damit auf
dem Stand des Pkw vor 15 Jahren."
Hönig hält weniger eine europäische als eher eine rein
deutsche Lösung in Form von
Fördermaßnahmen für denkbar. Steuerliche Anreize ? Lachhaft,
wenn man bedenkt, daß man
für ein Krad mit 600 Kubik Hubraum 86 Mark Steuern im Jahr
bezahlt.
Von Dorothee Fauth, Stuttgarter Nachrichten, 2.5.98